Inhaltliche Gestaltung: Sarah G. Hoffmann (beratergruppe ehrenamt)
Kapitel
1. Konfliktgeschichten im Ehrenamt
2. Konfliktdefinition und Kernkompetenzen
3. Eskalationsstufen nach F. Glasl
4. Konflikte analysieren
5. Konflikte regeln
Literatur und Links

1. Konfliktgeschichten im Ehrenamt

Ist das schon ein Konflikt? Ja oder Nein?

Viele Konflikte kennt man nur vom „Hören-Sagen“. Man bekommt sie erzählt und das Gehörte ergibt ein eher unvollständiges und eingefärbtes Bild der eigentlichen Vorkommnisse. Ist es Zeit zum Handeln, weil die „Hütte brennt“ oder klärt sich das alles von selbst – das ist gar nicht einfach zu entscheiden. Überlegt, was würdet ihr tun, wenn Euch die nachfolgenden Geschichten zugetragen werden würden.

Gibt es einen Konflikt? Ja, Nein oder schwer zu sagen!

Transferfrage: Zeit max. 20 Minuten
>>Arbeitsblatt
Überlegten Sie sich, ob das schon ein Konflikt oder nicht. Wenn es noch kein Konflikt ist, was ist es dann?

2. Konfliktdefinition und Konfliktfähigkeit

Die vorgestellte Präsentation können Sie hier herunterladen.

Wollen wir uns einen Konflikt mal genauer anschauen. Nachfolgendes Beispiel ist tatsächlich so passiert. Interessant ist nun, was hinter bzw. unter dem sichtbaren Konflikt liegt und was letztendlich verantwortlich ist für die negativen Gefühle und den Konflikt.

Inge (62), die ehrenamtliche Leitung der Schwimmgruppe
INGE leitet seit vielen Jahren als Freiwillige eine Schwimmgruppe. Sie war auch Mitbegründerin dieser Gruppe. Die Gruppe ist im Laufe der Zeit sehr groß geworden und zählt 40 – 60 Schwimmer*innen. INGE hat von allen Adressen, hält Kontakte zu den Einzelnen, regelt den Eintritt in das Schwimmbad, die Absprachen mit den Schwimmhallen, dem Bäderpersonal etc.. INGE ist 62 Jahre alt. Sie fühlt sich manchmal überlastet. 
Für die Zeit ihrer eigenen Ferien sucht sie sich den 40-jährigen KLAUS als ihren Stellvertreter aus. KLAUS ist seit langem Schwimmer in dieser Gruppe. Er ist also mit den Abläufen, Personen etc. bekannt. In die administrativen Angelegenheiten arbeitet INGE ihn noch ein. 

Nun fährt sie über einen Monat in den Sommerurlaub. Als sie aus dem Sommerurlaub zurückkommt, hat KLAUS eine kleine Zeitung für die Schwimmer produziert. Der Zeitung hat er den Namen „Poseidon“ gegeben. In dieser Zeitschrift porträtiert er einzelne Schwimmer*innen und berichtet über Neuerungen des Vereins. Die Schwimmer*innen nehmen diese Zeitschrift positiv auf. Darüber hinaus hat er ein kleines Sommerprogramm zusammengestellt. In der Schließzeit, des von der Gruppe benutzten Hallenbads, soll es von nun an Ausflüge in das Umland geben. Er hat die Sommerausflugsreihe bereits begonnen, als INGE aus dem Urlaub zurückkommt. Auch dieses Angebot finden die Schwimmer klasse. 
INGE hingegen ist aufgebracht, wie konnte KLAUS solche Neuerungen einführen, ohne das mit ihr abzusprechen? Er ist doch lediglich ihr Stellvertreter. Sie findet die Zeitung völlig unangebracht und auch das Ausflugsprogramm passt ihrer Ansicht nach nicht zu dem Schwimmangebot. KLAUS hingegen versteht INGE Reaktion nicht. Er findet seine Innovationen klasse und fühlt sich durch die Reaktionen der Schwimmer*innen zusätzlich in seiner Meinung bestätigt. Seiner Ansicht nach muss er als Stellvertreter doch selbstständig handeln können.
Aktion: Zeit max. 30 Minuten
>>Arbeitsblatt
Beschreiben Sie, wie sich der Konflikt für beide Parteien jeweils darstellt. Beziehen Sie dabei auf die unterschiedlichen:
a.) Annahmen und Haltungen
b.) Interessen und Ziele
Transferfrage: Zeit max. 10 Minuten
>>Arbeitsblatt
Zu welchen Reaktionen neigen Sie spontan, wenn in Ihrem Ehrenamt oder in Ihrem Zuständigkeits­bereich Ehrenamtskoordination ein Konflikt entsteht?
Wovon hängt es ab, wie Sie reagieren? > Klicken Sie auf das Bild unten aus der Präsentation, um es zu vergrößern.

3. Eskalationsstufen nach F. Glasl

Von der alltäglichen Meinungsverschiedenheit bis dahin, dass man gemeinsam in den „Abgrund“ geht – wie soziale Konflikte in die Katastrophe führen und was wir dagegen tun können, zeigt dieses Modell.

Der österreichische Konfliktforscher und Organisationsberater Friedrich Glasl hat in den 1980er Jahren ein Modell entwickelt, mit dem er zeigen will, welch zerstörerische Dynamik Konflikte ent­wickeln können und welche Möglichkeiten es gibt, diesen Prozess zu stoppen und in konstruktive Bahnen zu lenken.

Das Glasl Modell ist auf unterschiedlichste Konflikte anwendbar: Familienstreitigkeiten, Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz, Arbeitskämpfe oder kriegerische Auseinandersetzungen. Glasls Metapher für die Konflikt­dynamik ist eine Treppe, die steil nach unten führt. Er sagt, dass im Konfliktfall Menschen große, fasst übermenschliche Energien entwickeln, die auf Dauer nicht mehr zu steuern oder zu beherrschen sind – weder von den Konfliktparteien selbst noch von Außenstehenden.

Das Modell umfasst neun Stufen, die in drei Hauptphasen unterteilt sind.

In der 1. Phase des Konflikts können die Beteiligten sich noch miteinander einigen, ohne dass sich eine Seite geschlagen geben muss; sie agieren noch konstruktiv und der Ausgang ist offen.
In der 2. Phase hat sich der Konflikt so weit verschärft, dass nur eine Partei als Gewinner aus der Situation herauskommen kann; die andere verlässt beschädigt das Streitfeld (destruktiv).

In der 3. Phase hat die Auseinanderset­zung solche Formen angenommen, dass sich beide Seiten massiv verletzen und es nur noch Verlierer geben wird. Sie agieren (selbst-)zerstörerisch. Jede Phase besteht aus jeweils drei Stufen, die anzeigen, wie sich der Konflikt schrittweise verschärft. Neun Eskalationsstufen zeichnen die Entwicklung nach, von Unstimmigkeiten zu unüber­brückbaren Gegensätzen und schließlich tödlicher Feindschaft.

In der Realität nehmen eskalierende Konflikte nicht exakt alle Stufen des Modells hintereinander, sondern es entsteht ein Auf und Ab und Hin und Zurück oder auch ein längeres Verweilen auf der einen oder anderen Stufe.

Zu unterscheiden sind heiße und kalte Konflikte. Besonders im sozialen Bereich zeigen sich Konflikte seltener durch offene Konfrontation. Häufiger gehen sich die Konfliktparteien sich aus dem Weg, verbreiten eisernes Schweigen, lähmen sich wechselseitig, blockieren, sabotieren und setzen schließlich sich selbst und die gesamte Organisation schachmatt. Der kalte Konflikt ist nicht weniger gefährlich als der heiße, wie es die lange Phase des Kalten Kriegs (1947 – 1989), zeigt.

Deeskalations- und Konfliktlösungsstrategien

Die Kenntnis der Eskalationsdynamik bietet bereits Anhaltspunkte dafür, welche Instru­mente deeskalierend wirken. Während auf den Stufen 1 – 3 die bewährten Maßnahmen eines guten Freiwilligenmanagements helfen, aufkeimende Konflikte zu klären und beizu­legen, ist es in den nachfolgenden Phasen sinnvoll, auf externe Unterstützungs­angebote zurückzugreifen. Personen, die nicht in den Konflikt involviert sind und bei den konflikt­haften Fragen keine eigenen Interessen verfolgen, können mit ihrem externen Blick eventuell andere und auch neue Sichtweisen eröffnen und zugänglich machen. Viele Organisationen haben beispielsweise Schlichtungsstellung eingerichtet. Damit ist der Vorteil verbunden, dass die Schlichter das Arbeits- und Aufgabenfeld gut kennen. Inzwischen gibt es aber auch Organisationsberater*innen/Supervisor*innen/ Mediator*innen, die sich für den Bereich des ehrenamtlichen Engagements und der Non-Profit Organisationen qualifiziert haben. Werden im Konfliktfall allerdings die Stufen 7 – 9 erreicht, müssen Machtinstrumente in Betracht gezogen werden, um Schaden von der gesamten Organisation abzuwenden.

Sarah G. Hoffmann

Aktion: Zeit max. 30 Minuten
>>Quiz
Schauen Sie sich den nachfolgenden Trailer zum Film „Der Gott des Gemetzels“ und versuchen Sie die ausgesuchten Szenen einer der Eskalationsstufen von Glasl zuzuordnen. Ob sich Ihre Einschätzung mit unserer deckt, können Sie sehen, wenn Sie über den Button >> Quiz Ihre Eskalationsstufe eingeben. Sie bekommen dann unsere Einschätzung und eine Erklärung dazu.
Tipp:
1. Lesen Sie sich erst einmal die Hintergrundinfos zum Film durch.
2. Schauen Sie sich dann den Trailer einmal komplett an.
3. Lassen Sie sich die Eskalationsstufen als Bild einblenden. Klicken Sie dazu auf die Miniaturdarstellung des Modells unten.
4. Danach schauen Sie sich nacheinander die Szenen an und tragen dann in der untenstehenden Tabelle Euren Ihren Wert über den Absprung >> Quiz ein. Unsere Einschätzung dazu können Sie dann auch sehen.
Hintergrundinfos zu Trailer „Gott des Gemetzels“

Zum Film:

Zwei elfjährige Jungen streiten sich. Am Abend treffen sich die beiden Elternpaare, um sich in zivilisierter Weise zusammenzusetzen und die Streitfolgen zu regeln. Sie verfassen gemeinsam einen Brief an die Versicherung. Doch die friedliche Atmosphäre täuscht. Die Fassade der bürgerlichen Konventionen bröckelt zusehends. Nachdem der Gott des Gemetzels erst einmal entfesselt ist, entblößen die Vier ihre wahre Natur. Sie offenbaren ihre Kleingeistigkeit und ihre Ängste in kindischem Gebaren – ganz so, wie man es von Erwachsenen erwartet.

Der Film nach einem Theaterstück von Yasmina Reza spielt in Brooklyn. Der Regisseur Roman Polanski drehte ihn jedoch 2011 in Paris, weil in den USA gegen ihn ein Haftbefehl vorlag.

Die Beteiligten:

Penelope Longstreet (Jody Foster)Nancy Cowan (Kate Winslet)
Michael Longstreet (John C. Reilly)Alan Cowan (Christoph Waltz)
Ethan Longstreet (Eliot Berger)Zachary Cowan (Elvis Polanski)

Klicken Sie hier, um sich das Modell mit den Eskaltationstufen von
F. Glasl zu vergrößern.

Eine noch größere Ansicht des Modell der Eskalationsstufen bekommen sie hier.

Szene 1
[0:19–0:27] „…bewaffnet/ausgestattet mit einem Stock“
>> Quiz
Szene 2
[0:41–0:45] „Ihnen ist klar, dass er seinen Klassenkameraden entstellt hat“
 >> Quiz
Szene 3
[0:46–0:52] Penelope: Er nennt sie „Dudo!“ Alan: Ja, ich nenne sie Dudo!
>> Quiz
Szene 4
[1:11–1:22] „Ich wische mir den Arsch mit Ihren Menschenrechten“
>> Quiz 
Szene 5
[1:23] Michael: „Ich bin ein total cholerischer Bastard“
>> Quiz 
Szene 6
[1:32–1:34] Nancy versenkt das Handy ihres Mannes in der Blumenvase
>> Quiz 
Szene 7
[1:43] „Was zum Teufel machen wir hier eigentlich?“
>> Quiz 

4. Konflikte analysieren

Um auf Konflikte gut reagieren zu können, muss man sie besser verstehen. Eine Analyse kann helfen, zu erkennen, was hinter einem Konflikt stecken könnte und sie hilft auch, den Konflikt zu versachlichen. Denn häufig gibt es bei Konflikten heftige Gefühle, die den Blick auf das Eigentliche versperren. Hat man aber dies erkannt, ist es einfacher den Konflikt zu lösen oder zumindest gut zu regeln.

Die vorgestellte Präsentation können Sie hier herunterladen.

Aktion: Zeit max. 40 Minuten
>>Arbeitsblatt + Bilddatei
Überlegen Sie sich einen selbst erlebten Konflikt und analysieren Sie ihn mit Hilfe des nachfolgenden 4 Fragenkatalogs „Konfliktanalyse“. Sollte Ihnen keine eigene Konfliktsituation einfallen, spinnt die Geschichte „Auf dem Fußballplatz“ aus dem Kapitel 1 weiter und analysieren Sie die Geschichte mit Hilfe des Leitfadens. Zeichnen Sie dazu auch die „Konfliktarena“ auf einem Blatt Papier. Ein Beispiel hierfür sehen Sie unten.
Tragen Sie die Ergebnisse der Konfliktanalyse in Ihr Arbeitsblatt ein und schicken Sie mit Ihrem Arbeitsblatt auch ein Foto Ihrer Konfliktarena mit.

Hier ein Beispiel für eine visualisierte Konfliktanalyse

Konfliktanalyse in 4 Schritten (A bis D)

A - Wie stellt sich der Konflikt aktuell nach außen dar?

  1. Welches konflikthafte Verhalten sehen wir?
  2. Wer ist beteiligt? Wer ist noch betroffen? Wer könnte zur Klärung beitragen?
  3. Konfliktarena zwischen Hauptamtlichen und Freiwilligen | Freiwillige untereinander |„Traditionelle Ehrenamtliche“ untereinander | „Neue Freiwillige“ miteinander | zwischen „Traditionellen“ und „Neuen“ | zwischen Ehrenamtlichen und Nutzern | zwischen Nutzern und Hauptamtlichen | mit Hauptamtlichen, die auch ehrenamtlich aktiv sind ....
  4. Konfliktart Zielkonflikt; Methodenkonflikt; Verteilungskonflikt; Rollenkonflikt; Wertekonflikt; Beziehungskonflikt; Mischform; …
  5. Konflikttemperatur auf einer Temperaturskala zwischen 0⁰ und + 100⁰
  6. Eskalationsstufe nach Glasl
  7. Wie würde der Konflikt heißen, wenn es ein Film wäre? Welches Genre (Komödie – Drama – Tragödie)

B - Was könnte dahinter stecken?

  1. Was denken die Konfliktparteien jeweils über das Konfliktthema? (Ansichten und Einstellungen)
  2. Welche Ziele und Interessen stehen sich gegenüber?
  3. Welche Motive und Bedürfnisse sind nach Meinung der Konfliktparteien jeweils bedroht z.B. welche der Grundbedürfnisse: Sicherheit, Zugehörigkeit, Kompetenzerleben, Autonomie, Selbstwert?
  4. Welche Sachfragen sind tangiert/ungeklärt?

C - Die eigene Situation im Konflikt

  1. Wie häufig begegne ich den Konfliktparteien (real, digital, in Gedanken)?
  2. In welchem (Macht-)verhältnis stehe ich zu den Konfliktparteien (objektiv und subjektiv)?
  3. Wie nah oder fern bin ich subjektiv selbst dem Konflikt und den Konfliktparteien? (Grafische Darstellung)
  4. Was steht mir selbst zur Verfügung, um zur Lösung beizutragen (Selbstwirksamkeitserwartung)?

D - Wie hätte der Konflikt vermieden werden (Konfliktprophylaxe)?

  1. Was hat die Organisation dazu beigetragen, dass dieser Konflikt überhaupt entstehen konnte, bzw. in dieser Form möglich wurde?
  2.  Ist dieser Konflikt in dieser Form oder ähnlicher Form schön öfter passiert ?
  3. Hätte ein frühzeitiges Einschreiten den Konflikt vermeiden oder abschwächen können?
  4. Welche Regelungen können helfen den Konflikt zu vermeiden?

5. Konflikte regeln

Was hat dazu beigetragen, dass dieser Konflikt überhaupt entstehen konnte und wie kann ich konkret auf den konkreten Konflikt reagieren?

Ein Weg zur Lösung ist ein Schlichtungsgespräch zu moderieren. Das funktioniert natürlich nur, wenn ich selbst nicht beteiligt bin und mich also „allparteilich“ verhalten kann.

Konfliktgespräche führen

Nehmen Sie sich Zeit und suchen Sie einen angenehmen Ort für das Gespräch. Zwischen Tür und Angel und unter Zeitdruck lassen sich Konflikte kaum klären. Je besonnener und strukturierter das Vorgehen im Konfliktfall, umso besser sind die Aussichten für eine einvernehmliche Lösung. Wenn das Gespräch sehr schwierig wird, lohnt es sich, das Gespräch zu unterbrechen und sich eine Atempause zu gönnen.

Literatur und Links:

Eilles-Matthiessen, Claudia: Es muss nicht immer reden sein. So lösen Sie Konflikte am Arbeitsplatz. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2018
Glasl, Friedrich: Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. 11. Auflage. Haupt, Bern/Stuttgart 2013
Herzlieb, Hans-Jürgen: Konflikte lösen. Konfliktpotenzial erkennen – in Konfliktsituationen souverän agieren. Cornelsen Scriptor, Berlin 2012
Witte, Katharina: Konflikte sind keine einfachen Freunde- aber man sollte sie sich nicht zu Feinden machen. Newsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 10/2010 vom 28.5.2010.
manager seminare: Interview mit Friedrich Glasl https://www.youtube.com/watch?v=00MtNM8EFL0 (10.4.2021)
Bundeszentrale für politische Bildung: Was ist ein Konflikt? https://www.bpb.de/mediathek/326227/was-ist-ein-konflikt (10.4.2021)